Der Schimmel im Moor by Ursula Isbel-Dotzler

Der Schimmel im Moor by Ursula Isbel-Dotzler

Autor:Ursula Isbel-Dotzler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2018-06-08T00:00:00+00:00


13

Ich hatte meinen Vater lange nicht mehr so locker und gut gelaunt erlebt. Er war richtig aufgekratzt, redete an diesem Abend mehr als sonst in einer ganzen Woche, zauberte zwei Flaschen Burgunderwein aus seiner Aktenmappe hervor und sah aus, als hätte man ihm Aladins Schatzhöhle zum Geschenk gemacht.

Ich bezweifelte, dass es nur an den Geschichten lag, die Eileens Großtante ihm erzählt hatte. Doch er schien höchst zufrieden mit dem Ergebnis dieses Ausflugs und schwärmte von der Ausdrucksfähigkeit der alten Dame, der Bildhaftigkeit ihrer Sprache, ihrem Talent, spannende und gruselige Dinge so zu schildern, dass einem ein Schauder nach dem anderen über den Rücken lief.

'Sie steht in der Tradition der Seanchui, der alten Märchenerzähler', sagte er. 'Früher, als man noch kein Radio hatte, keinen Fernseher, kein Kino, als das einfache Volk sich keine Bücher leisten konnte, gab es Frauen und Männer, die uralte Geschichten kannten – Märchen, Sagen und Legenden. Die Brüder Grimm verdanken ihre Märchensammlung solchen Erzählern. Schade, dass Ihre Großtante all das, was sie noch weiß, nie aufgeschrieben hat.'

Eileen nickte. 'Ich hatte schon mal die Idee, ein paar von ihren besten Storys auf Band aufzunehmen und vielleicht irgendwann ein Buch daraus zu machen. Mit den Gespenstergeschichten allein könnte man schon Bände füllen.'

Wir saßen im Schein eines Windlichts im Garten. Es war ein ungewöhnlich warmer Abend; Sterne funkelten am Himmel und Grillen zirpten wie im Süden. Die Hunde lagen im Gras. Der Schaukelstuhl, auf dem Eileen saß, bewegte sich sacht hin und her.

'Hat sie denn auch etwas über Ricruin erzählt?', fragte ich.

Mein Vater warf mir einen überraschten Blick zu. 'Ja, natürlich. Jede Menge. Ich vermute, sie könnte den Dysarts selbst noch ein paar neue Versionen über ihre Familiengespenster erzählen.' Das klang viel lockerer, als er für gewöhnlich von einer Arbeit redete.

Eileen beugte sich vor und nahm ihr Weinglas vom Tisch. Der Schein des Windlichts flackerte über ihr Gesicht und ihr Haar, das wie ein Büschel Heidekraut wirkte. 'Schon eigenartig, das mit dem vierten Earl', murmelte sie. 'Er scheint ein absolutes Ekelpaket gewesen zu sein. Es wäre kein Wunder, wenn einer, an dessen Händen so viel Blut klebt, auch nach dem Tod keine Ruhe finden würde.'

'Was hat er denn gemacht?', fragte ich.

'Allerhand übles Zeug', sagte mein Vater. 'Willst du es wirklich hören? Aber beklag dich bitte nicht, wenn du Albträume bekommst.'

Mittlerweile interessierte mich alles, was mit Ricruin zu tun hatte. Also erwiderte ich, er könne ruhig darüber reden, ich würde sowieso nicht daran glauben.

'Na gut. Angeblich ließ der vierte Earl seine zweite Frau bei lebendigem Leib einmauern, weil sie ihm untreu war. Den Liebhaber hat er erstochen. Und seine Frau hatte ein Kind, einen Säugling, den der Earl offenbar nicht für seinen eigenen Sohn hielt. Jedenfalls soll er das Baby erwürgt oder erstickt und seine Leiche irgendwo im Hochmoor den Tieren zum Fraß vorgeworfen haben.'

Mein Vater schenkte Eileen Wein nach und fügte hinzu: 'Das würde zu der Geschichte passen, die Ihre Mutter von dem Mann mit dem Bündel im Arm erzählt hat, dem sie in der Burg begegnet ist.'

Eileen nickte. 'Die



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